Leben auf dem Land

Leben auf dem Land im 19. Jahrhundert

von Natascha Bär

1.1 Das System der Feudalherrschaft

Das im 19. Jahrhundert vorherrschende Ständedenken bestimmte das Leben und den Alltag der Bauern, die nicht nur in der gesellschaftlichen Hierarchie der Zeit ganz unten standen, sondern auch in Abhängigkeit zu den oberen Ständen lebten. Das feudale Herr­schaftssystem das noch bis in das 19. Jahrhundert hineinexistierte und -wirkte war ausschlaggebend für die schwierigen Lebensumstände der meisten Bauern und Gemein­den auf dem Land.

Das Leben eines Bauern und seiner Familie war bestimmt durch die Abhängigkeit und die Art der Bindung an seinen Grundherren. Dabei gab es zwei Arten wie der Mensch in diese Herrschaftsform hineinging. Wie Kerstin Werner schreibt, teilte sie sich nach dem Personalprinzip und dem Territorialprinzip, wobei man beim ersten in die Leib­eigenschaft geboren wurde und beim letzteren durch den Ort und „die Luft“ leibeigen wurde. In beiden Fällen war es jedoch Pflicht, Abgaben an den Eigentümer des Landes, auf dem der Bauer arbeitete, zu leisten.

Die Variationen an Form und Menge der Abgaben und Leistungen waren regional unterschiedlich und variierten je nach Anspruch des Grundherren. Die Lasten für die Bauern waren jedoch einzuteilen in Frondienste und Abgaben. Frondienste waren unbelohnte Dienste, die der Bauer oder Gemeindemitglieder an den Grundherren leisteten. Zu diesen unbelohnten Dienste gehörten z. B. Fuhrdienste, land­wirtschaftliche Tätigkeiten oder Arbeiten bei der Forst und Jagd. Diese Leistungen an den Feudal­herren waren von ihm selbst, meist in Übereinkunft mit dem Bauern, festgelegt und ein Abkommen zwischen Herren und Bauern und durch wechselseitige Pflichten geprägt.

Die unterschiedlichen Formen der Abgaben und Dienste konnten zum Beispiel auch von der wirtschaftlichen Lage (Preisanstieg), von der Beschaffenheit des Bodens wie auch der wirtschaftlichen Neigung des Grundherren abhängen. Wie unterschiedlich die Abgabenleistung sein konnte beschreibt Jerome Blum in Die Bäuerliche Welt:

„Manche Bauern entrichteten ihre Leistungen ausschließlich in der einen, manche ausschließlich in der anderen Gestalt, die meisten jedoch in kombinierbarer Form: in barer Münze, in Naturalien und in Arbeitskraft. An der livländischen Ostseeküste betrieben die Bauern neben der Landwirtschaft Fischfang und entrichteten ihre Abgaben in Gestalt von Fischen“ (Blum 1982:61).

Eine sehr verbreitete Form der Feudallast war der „Zehnte“, bei dem der zehnte Teil der Ernte, meist jedoch ein variable Größe, abhängig von Gemeinde und Feld, abgegeben werden musste. Der Zehnte war je nach Region und Ernteertrag unterschiedlich groß und ging ursprünglich als eine Unterstützungsabgabe an die Kirche.

Zu den Abgaben und Arbeitsleistungen kamen noch die staatlichen Steuerabgaben, von welcher Kirche und Adel befreit waren. Die Forderungen, die somit an die Bauern gestellt wurden, waren beachtlich und wie Blum beschreibt weiter:

„Wegen der großen Heterogenität der von den Bauern geleisteten Abgaben und Dienste lässt sich die Auswirkung dieser Feudallasten auf das bäuerliche Ein­kommen nur schätzen. Man geht davon aus, dass die deutschen Bauern im 18. Jahr­hundert zwischen 22 und 40 Prozent ihres Bruttoeinkommens entrichtet haben. Hinter diesem Durchschnittswert verbergen sich große Unterschiede zwischen den einzelnen Dörfern, wie in Niedersachsen, wo die Abgabenquote bei 5 Dörfern im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert zwischen 53,2 Prozent und lediglich 8 % des landwirtschaftlichen Bruttoertrags streute“ (Blum 1982:64).

Die Feudalherren nutzten diese Einnahmen als Rentenquelle und taten dies offen­sicht­lich in einem unausgewogenem Maß gegenüber den Bauern und seiner Familie, so dass es nicht selten die existenzielle Grundlage bedrohte. Konnten Bauern Frondienste nicht leisten, so gab es noch die Möglichkeit sich durch Geldablösungen frei zu kaufen. Im schlimmsten Falle, wenn die eigenen Erträge für eine Abgabe nicht ausreichten, war Arbeitsmigration ein möglicher Ausweg.

Unterdrückung und Unfreiheit kennzeichneten das Leben der Bauern im 19. Jahr­hun­dert. Selbst ein sogenannter „freier Bauer“, der über einen eigenen Hof verfügte und mehr Recht auf Selbstbestimmung hatte, lebte meist als Erbpächter auf dem Landgut eines Adligen. Somit war Freiheit ein relativer Begriff und für Bauern, eingeleitet mit der Aufhebung der Leibeigenschaft 1811, ein langwieriger Prozess, der sich noch über viele Jahre hinzog.

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